Musik 2009

Ich wollte ja auf dieser Seite ursprünglich richtige „Albumcharts“ machen, aber da 2009 dermaßen viel Geniales, Gutes, Mittelmäßiges und Schlechtes rausgekommen ist, macht das wenig Sinn. Durch die erstaunliche Menge an hochwertiger Musik kommt es dazu, dass z.B. Slayers großartiges neues Album in meiner Liste nur auf Platz 29 ist, weil es halt 28 Alben gab, die noch ein bisschen besser waren… oder zumindest sieht es so aus, denn bei so vielen guten Alben ist es kaum möglich, eine aussagekräftige Rangliste zu erstellen. „World Painted Blood“ könnte sich genauso gut in den Top 10 befinden.

Deswegen werde ich hier jetzt überhaupt keine Rangfolge festlegen (hier ist die alte Liste, die ja trotzdem noch für einen ungefähren Überblick sorgt), sondern zu den erwähnenswerten Alben des Jahres einfach so ein bisschen was schreiben. Alphabetisch sortiert. Dingens.

Alice In Chains: Black Gives Way To Blue – Nach dem Tod von Layne Staley 2002 hätte wohl niemand angenommen, dass Alice In Chains nochmal ein Album aufnehmen. Falsch gedacht! Schon 2005 wurden wieder Konzerte gespielt, und 2008 fand man dann mit William DuVall einen neuen festen Sänger. Wie das bei Reunions – und besonders mit neuem Sänger – meistens so ist, waren die Meisten erstmal skeptisch. Schon bei Queen hatte man gesehen, dass das nicht unbedingt gut gehen muss: „The Cosmos Rocks“ war über weite Strecken ziemlich langweilig und hatte überhaupt nichts mit dem zu tun, was man aus der Zeit Freddie Mercurys von der Band kannte.

Umso mehr überrascht es, dass „Black Gives Way To Blue“ ein richtig gutes Album geworden ist: Schon der Opener „All Secrets Known“ mit seinen schleppenden Riffs und dem großartigen, dramatischen Refrain („There’s no gooiiing baaaaaaaaack tooo the plaaaaaaaace…. we staaaarted frooooom…“) fegt alle Zweifel, die man hatte, beiseite und eröffnet ein tolles Album mit heftigen („A Looking In View“), rockigen („Check My Brain“) und melancholischen („Your Decision“) Songs, das man so wirklich nicht erwartet hätte. Hut ab! – 9/10

Amorphis: Skyforger – Von Death Metal über düsteren Rock bis hin zu der schwer beschreibbaren Mischung aus Melancholie, Härte und eingängigen, aber nicht zu simplen Popmelodien, die auch auf dem aktuellen Album „Skyforger“ dominiert, sind Amorphis schon einen weiten Weg mit vielen unerwarteten Wendungen gegangen. So langsam scheinen sie aber ihren Stil gefunden zu haben, denn das neue Album unterscheidet sich stilistisch kaum von den Vorgängern „Eclipse“ und „Silent Waters“. Muss es aber auch gar nicht, denn solange dabei Songs wie das tolle, abwechslungsreiche „Sampo“, das wunderschöne „From The Heaven Of My Heart“ und das göttliche „Sky Is Mine“ herauskommen, können die gerne noch zehn weitere Alben machen die so klingen.

Und das Beste ist: Die genannten Songs waren alle unter den ersten vier des Albums, und die Qualität bricht nicht ab! Nach dem etwas härteren „Majestic Beast“ jagt einem der unglaubliche Refrain von „My Sun“ eine Gäneshaut nach der anderen über den Rücken; „Highest Star“ startet ruhig und prescht dann voran, „Skyforger“ und vor allem „Course Of Fate“ begeistern wieder mit diesen großartigen Melodien, und das wiederum etwas schnellere „From Earth I Rose“ beendet dieses von vorne bis hinten nahezu perfekte Album. In den ersten Hördurchgängen schien es, als könnte „Skyforger“ dem bisherigen Meisterwerk der Band, „Eclipse“, auf keinen Fall das Wasser reichen, aber da sind diese Melodien… diese Melodien, die sich immer tiefer ins Ohr bohren und nie mehr verschwinden. Möglicherweise hat „Skyforger“ den Thron übernommen. – 9,5/10

…And You Will Know Us By The Trail Of Dead: The Century Of Self – Mit „So Divided“ hatten sich Trail Of Dead (ich schreibe den Bandnamen jetzt mal nicht aus :D) endgültig von den lärmigen, chaotischen Rocksongs der Anfangstage verabschiedet… endgültig? Nein, ein kleines Dorf leistet erbitterten… äh… nein, falscher Film, aber sie verstehen schon, was ich meine. Schon der instrumentale Opener „Giants Causeway“ dröhnt wie zur Zeit von „Source Tags & Codes“ aus den Boxen, und auch „Far Pavillons“ und „Isis Unveiled“ lassen nicht wirklich viel Harmonie aufkommen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Stücke wie das epische „Bells Of Creation“ oder „Pictures Of An Only Child“. Überhaupt lassen Trail Of Dead es in der zweiten Albumhälfte deutlich ruhiger angehen, der einzige Song, der da noch rebelliert, ist das wiederum ziemlich chaotische „Ascending“, ein merkwürdiger, aber sehr geiler Bastard aus The Mars Volta und den Foo Fighters… und natürlich gibt es wieder (wie in sehr vielen Songs des Albums) den typischen Trail-Of-Dead-Mittelteil, der sich langsam dem finalen Refrain entgegensteigert. Die Meisterwerke „Source Tags & Codes“ und „Worlds Apart“ erreicht „The Century Of Self“ nicht ganz, aber Trail Of Dead sind auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. – 8,5/10

Biffy Clyro: Only Revolutions – Wer nach dem ziemlich poppigen Album „Puzzle“ (2007) ernsthaft davon ausgegangen war, dass Biffy Clyro sich auf ihre Wurzeln zurückbesinnen und wieder so ein abgefahrenes Prog-Rock-Indie-Album wie „The Vertigo Of Bliss“ oder „Blackened Sky“ abliefern würden, der leidet wohl unter akutem Realitätsverlust. „Puzzle“ funktionierte einfach zu gut und war trotz der Eingängigkeit ein großartiges Album. „Only Revolutions“ geht diesen Weg weiter, wie der hymnische Mitsing-Opener „The Captain“ zeigt – mit diesem Song haben Biffy Clyro sich unter den langjährigen Fans viele Feinde gemacht, Tatsache ist aber: Das Ding geht ins Ohr und will nicht mehr raus. Überhaupt sind es diesmal die hymnischen, dramatischen Songs, die herausstechen. Der euphorische Abschlusstrack „Whorses“ beispielsweise, oder der Gänsehautsong „Many Of Horror“, den man ohne schlechtes Gewissen als die beste Ballade der Band bezeichnen kann. Die rockigeren Songs dagegen sind zwar auch durchgängig gelungen, vermögen aber trotz einiger Ecken und Kanten (z.B. das Outro von „That Golden Rule“ oder der atemlose Rhytmus von „Cloud Of Stink“) nicht ganz so stark zu begeistern. Trotzdem: „Only Revolutions“ ist ein sehr, sehr gutes Album, die Band muss nur aufpassen, dass sie nicht zu sehr in Richtung Radiopop abdriftet. – 8/10

Converge: Axe To Fall – Was soll man über Converge noch groß sagen? Sie gehören definitiv zu den heftigsten Bands der Hardcore-Szene, aber auch zu denen, die technisch am meisten draufhaben. Wie erwartet tritt einem „Axe To Fall“ also die meiste Zeit über gnadenlos in die Fresse, und wenn mal nicht mit Hochgeschwindigkeit drauflosgebrettert wird, heißt das noch lange nicht, dass es eine Entspannungspause gibt. Gerade der letzte Track „Wretched World“ ist ein perfektes Beispiel dafür: Obwohl in den ersten zwei Minuten im Grunde überhaupt nichts passiert und sich der Song auch danach nur quälend langsam aufbaut, ist er ein extrem verstörendes Stück Musik, das gegen Ende mit einer tsunamiähnlichen Urgewalt über den wehrlosen Hörer einbricht – ohne dabei auf Geschwindigkeit oder übertriebene Brutalität zu setzen. Ein absolut großartiges Album mit einem unglaublichen Ende. – 9/10

Dark Age: Acedia – Obwohl die Hamburger von Dark Age, die schon seit 15 Jahren im Geschäft sind, mit ihrer Mischung aus Death Metal und Popmelodien momentan total im Trend liegen, haben sie den Durchbruch und den Aufschluss zu den ganz großen Artgenossen (In Flames, Dark Tranquillity usw.) nie wirklich geschafft. Das ist erstaunlich, denn im Gegensatz zu In Flames, die zwar immer noch ganz gute Musik machen, aber langsam anfangen zu langweilen („A Sense Of Purpose“ war ja nicht wirklich eine Offenbarung…), liefern Dark Age immer noch sehr gute, eingängige aber trotzdem sehr ideenreiche Musik ab. Zwar kann „Acedia“ die Qualität des wahnsinnig geilen Anfangshattricks „Kingdom Nevercome“, „Devote Yourself To Nothing“ und „Neon Gardens“ nicht durchgängig halten, aber sowas kann man von einer Band auch kaum erwarten. Trotz kleinerer Qualitätsschwankungen fragt man sich wirklich, warum diese Band nach so vielen Jahren immer noch nicht ganz oben mitmischt. – 8/10

The Dead Weather: Horehound – Dieser Jack White ist schon ein Arbeitstier. Seit 2005 brachte er jedes Jahr ein Album heraus, entweder mit den White Stripes oder seiner Zweitband The Raconteurs. Dieses Jahr scheinen aber weder Meg White noch seine Raconteurs-Kumpel Lust oder Zeit gehabt zu haben, und was macht man da als vor Inspiration platzender Rockstar? Genau, man gründet einfach eine dritte Band! Waren die bisherigen Produktionen aus dem Hause White bis jetzt ungeachtet einiger Merkwürdigkeiten immer noch recht poppig, so ändert sich das mit The Dead Weather. Die Musik ist, trotz des recht gewöhnlichen Rock-Grundgerüsts, finster wie die Nacht, der Sound ist irgendwie schmutzig, staubig… und wie man sieht schwer zu beschreiben, jedenfalls vermittelt er eine ziemlich eigenartige Atmosphäre. Man merkt direkt: Diese Musik kann nicht von frisch geduschten, komplett nüchternen Menschen kommen und auch nicht tagsüber aufgenommen sein. Wenn man versteht was ich meine.

„60 Feet Tall“ scheint nach durchzechter Nacht erst mal richtig aufwachen zu müssen, erinnert sich dann an die Geschehnisse des Vorabends und tritt wütend um sich. „Hang You From The Heavens“ dagegen macht direkt Lärm, das monotone „I Cut Like A Buffalo“ lässt es etwas ruhiger angehen, ebenso das benebelte „So Far From Your Weapon“. Wachgerüttelt wird man erst wieder vom extrem angepissten Mosshart/White-Duett (bzw. Duell) „Treat Me Like Your Mother“ – sehenswert auch das Video dazu, wo sich die beiden analog zum Text nicht nur mit Worten, sondern auch mit Kugeln bombardieren.

Der Rest des Albums ist, im Gegensatz zum noch recht eingängigen Anfang, eher sperrig geraten und hat auch keine echten Hits mehr zu bieten, führt dafür aber die Atmosphäre gelungen fort, mal leiser, mal lauter. Der letzte Song „Will There Be Enough Water“ ist ein sehr relaxter 6/8-Walzer, dessen Stimmung sich extrem schwer beschreiben lässt. Fazit: „Horehound“ ist eine gelungene Mischung aus Hits und abgefahreneren Songs und braucht sich nicht hinter den anderen White-Bands zu verstecken. – 8/10

The Decemberists: The Hazards Of Love – Die Decemberists hatten schon immer Spaß daran, Geschichten zu erzählen, und so ist „The Hazards Of Love“ mal wieder ein Konzeptalbum. Diesmal geht es um Margaret und William, eine böse Waldkönigin, lebendige und dann tote Kinder, einen Gestaltenwandler, Flüsse, die man eigentlich gar nicht überqueren kann, es aber irgendwie doch tut, und, wie der Titel es schon andeutet, um die „Gefahren der Liebe“, die sich wie ein roter Faden durchs ganze Album ziehen und schließlich – wie eigentlich immer in den Geschichten der Band – für beide Hauptpersonen den Tod bedeuten.

Musikalisch hat man sich wie erwartet noch etwas weiter in Richtung Rock entwickelt, ohne dabei die Folkwurzeln außen vor zu lassen. Im Gegenteil, irgendwie haben die Decemberists es geschafft, BEIDE Einflüsse zu vergrößern. Das Gesetz von der Erhaltung der Masse? Gilt anscheinend nicht für Colin Meloy und seine Band. Ob leichtfüßiger Folk wie in „The Hazards Of Love 1 (The Prettiest Whistles Won’t Wrestle The Thistles Undone)“ (was für ein Songtitel!), „Isn’t It A Lovely Night?“ oder „The Hazards Of Love 4 (The Drowned)“, musicalhafte Duette im Wechsel zwischen Arcade Fire und The White Stripes („The Wanting Comes In Waves / Repaid“) oder schon fast metalartige Eruptionen („A Bower Scene“) – Abwechslung ist hier Programm und trotzdem passt alles perfekt zusammen.

Und dann gibt es da noch Sachen wie „The Rake’s Song“ (ein Stück, das problemlos im Radio laufen könnte, würde es nicht davon handeln, wie der Protagonist seine eigenen Kinder auf verschiedenste Art und Weise ermordet), „The Hazards Of Love 3 (Revenge!)“ (in dem selbige Kinder als Geister zurückkommen und ihrem Vater mit einem Orchester aus Untoten die Hölle heiß machen) und nicht zuletzt das wahnsinnig gute „Annan Water“ – wohl der beste Song, den die Band jemals aufgenommen hat. Kaum eine Band schafft es wie die Decemberists, sich mit jedem Album weiterzuentwickeln und trotzdem dabei nicht einen Song zu schreiben, der qualitativ abfällt. Und so ist auch „The Hazards Of Love“ ein weiteres Meisterwerk in der Diskografie dieser Genies. – 10/10

Dream Theater: Black Clouds & Silver Linings – Mit „Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory“ haben Dream Theater vor zehn Jahren mein absolutes Lieblingsalbum aller Zeiten aufgenommen. Was danach kam, war zwar auch immer sehr stark, reichte aber nicht im Geringsten an diesen Meilenstein heran. Soll es also jetzt, ein Jahrzehnt später, endlich mal wieder klappen? Nicht ganz, aber trotzdem ist „Black Clouds & Silver Linings“ wohl das stärkste DT-Album seit damals. Der Opener „A Nightmare To Remember“ ist das Härteste, was die Band jemals veröffentlicht hat (zumindest am Anfang und am Ende) und kann trotz seiner 16 Minuten Spielzeit durchgängig begeistern. Nach dem leider nur im Refrain wirklich überzeugenden „A Rite Of Passage“ folgt mit „Wither“ die beste Ballade seit „Misunderstood“, danach mit „The Shattered Fortress“ der großartige Abschluss der fünfteiligen „Twelve Step Suite“. „The Best Of Times“ ist eine Hommage von Drummer Mike Portnoy an seinen Vater, die vielleicht etwas zu lang geraten ist, aber im Anschluss folgt mit dem letzten Song „The Count Of Tuscany“ einer der besten Songs, die Dream Theater jemals geschrieben haben. Dieses Lied hat alles, was die Band auszeichnet: ein unglaublich atmosphärisches Intro von John Petrucci, wahnwitzige musikalische Achterbahnfahrten, dramatische Refrains, ein „Octavarium“-mäßiges Keyboard/Gitarren-Solo und ein absolut episches Ende. Ein zweites „Scenes From A Memory“ ist dieses Album also nicht geworden, reicht aber an die Qualität dessen im Vergleich mit den letzten DT-Alben am nächsten heran. – 9/10

Dredg: The Pariah, The Parrot, The Delusion – Vier Jahre nach “Catch Without Arms” sind Dredg mit ihrem neuen Album zurück. Im Vorfeld wurde viel spekuliert, ob “The Pariah, The Parrot, The Delusion” den poppigen Weg des Vorgängers weitergehen oder wieder zurück zum Sound des progressiveren, athmosphärischen “El Cielo” zurückkehren würde. Dredg haben sich für einen Mittelweg entschieden.

Das Album beginnt mit dem sehr abwechslungsreichen “Pariah”. Von Kindergesang über verzerrte Gitarren bis hin zu fast gerappten Passagen ist hier alles vertreten, was aber nicht heißt, dass Dredg ihre typischen Erkennungsmerkmale über den Haufen werfen. “Light Switch” ist eine Ballade, die etwas an “El Cielo” erinnert und besonders gegen Ende sehr gut wird – ganz im Gegensatz zu “Gathering Pebbles”, das größtenteils langweilig und nichtssagend ist. Mit “Information” wird es auch nicht viel besser, denn abgesehen vom wirklich tollen Ohrwurmrefrain hat das Stück nicht viel zu bieten. Hätte man sich zwei Minuten gespart, wäre vielleicht ein guter Song daraus geworden, aber so ist er einfach zu lang.

Mit “Saviour” kommt dann das erste richtige Highlight: Nachdem Dredg einem erst mal in alter Manier frontal vors Gesicht hauen, beginnt eine Achterbahnfahrt aus tanzbaren Rhytmen, Mitsingrefrains, jaulenden Gitarren und Bombast, die seinesgleichen sucht. Gegen Ende wird es dann immer lauter, bevor das Anfangsriff noch mal alles gibt und dann am Boden zerschellt. Klare zehn von zehn Punkten! Das instrumentale “R U O K?” fällt nach diesem Kracher kaum auf, besonders, weil danach direkt der nächste kommt: “I Don’t Know” ist nicht so hyperaktiv wie “Saviour”, aber mindestens genauso gut. “Cartoon Showroom” ist eine “El Cielo”-mäßige Ballade, die zum Träumen einlädt, und dann kommt mit “Quotes” der absolute Hammersong: Hier zünden Dredg ein richtiges Feuerwerk an Abwechslung, Dramatik, Tempowechseln, hymnenhaften Passagen und den schwebenden Gitarrenklängen, mit denen sie berühmt geworden sind. Ganz klar der beste Song des Albums! Mit dem besten Instrumental des Albums “Down To The Cellar” und dem letzten Interlude (obwohl es eigentlich schon fast als Song bezeichnet werden könnte) “Horizon” sinkt die Qualität aber nicht etwa ab, sondern bleibt auf dem gleichen Niveau und liefert dem Album den perfekten Abschluss. – 8,5/10

Ensiferum: From Afar – Mit Pagan Metal ist das ja immer so eine Sache. Die meisten Bands verlieren sich in langweiligem Gedudel, unterlegt mit den albernsten Kriegs- und Fantasytexten, die man sich vorstellen kann. Metal kann man das dann auch kaum noch nennen, denn die Gitarren haben gegen das Wirrwarr aus Keyboards, Chören, Orchestern und natürlich Instrumenten wie Dudelsäcken, Lauten usw. kaum noch eine Chance.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich auch „From Afar“ nicht großartig von diesen Eigenschaften: Das Album beginnt mit einem vierminütigen, akustischen Intro und ist auch im weiteren Verlauf sehr von folkigen Passagen geprägt. Fakt ist jedoch, dass Ensiferum ein Händchen dafür haben, die Zutaten genau richtig zu dosieren: Neben bombastischen, epischen Stücken wie „Heathen Throne“ und Chorinterludes („Tumman Virran Taa“) gibt es auch heftige Metalsongs („From Afar“, „Twilight Tavern“) und ein paar Experimente zu hören, die man auf einem Pagan-Metal-Album eigentlich nicht erwarten würde: In der Mitte von „Stone Cold Metal“ befindet man sich plötzlich in einem Westernfilm, nur um zum Schluss wieder zum Anfangsthema zurückzukehren. Auch – und vor allem – die Songs, die weniger auf Härte und mehr auf Atmosphäre setzen, wie z.B. das wirklich großartige und mitreißende „Heathen Throne“, können begeistern und tragen so zu einem sehr abwechslungsreichen, absolut überzeugenden Album bei. Es ist wohl schwierig, in einem Genre, in dem eigentlich schon alles gesagt wurde, ein Album aufzunehmen, das wirklich hörenswert ist – Ensiferum haben die Erwartungen bei weitem übertroffen. – 9/10

Ghost Brigade: Isolation Songs – Ab und zu gibt es irgendwo eine Band, auf die die Musikwelt nur gewartet zu haben scheint. Ghost Brigade sind so eine Band – mit ihrem 2007er Debütalbum „Guided By Fire“ rüttelten sie die Metalwelt gehörig auf und konnten Kritiker und Musikfans gleichermaßen begeistern. Und das nicht ohne Grund: Die Musik von Ghost Brigade klingt wie eine Mischung aus vier der besten aktuellen Metalbands – Opeth, Katatonia, Swallow The Sun und Amorphis. Das kann man einen gelungenen Mix nennen, und genauso gelungen setzen Ghost Brigade das auf ihrem zweiten Album „Isolation Songs“ um.

Den Anfang macht das aggressive, von Growls durchzogene „Suffocated“ – das Hauptriff könnte genauso gut von Meshuggah kommen. „My Heart Is A Tomb“ hat ebenfalls aggressive Vocals, ist aber etwas gemäßigter und verblüfft mit einem wunderschön gesungenen Refrain. Der richtige Hammer kommt aber erst in Form von „Into The Black Light“: Schon zu Anfang ist der Song ein Feuerwerk an Gitarrenwänden und Emotionen, aber bei genau dreieinhalb Minuten schwingt das Stück um und geht mit einem wahnsinnigen, intensiven Gitarrensolo weiter, über das irgendwann die Zeilen „From the shadows – into the black light“ wiederholt werden, und das dermaßen dramatisch und emotional, dass man nicht nur eine Gänsehaut bekommt, sondern die weißen Federn gleich noch mit dazu. Der Song könnte noch eine halbe Stunde so weitergehen und wäre immer noch perfekt.

Leider hat aber alles mal ein Ende und so kommen die nächsten Songs. Auf das harte, schleppende „Lost In A Loop“ folgen das gelungene Instrumental „22:22 – Nihil“ und das wieder etwas schnellere „Architect Of New Beginnings“. Allesamt tolle Songs, die aber gegen das Highlight „Into The Black Light“ verblassen. „Birth“ ist dann vielleicht etwas zu lang, aber dafür sind die folgenden Songs wieder richtig geil geworden: „Concealed Revulsions“ punktet mit seinem perfekten Refrain, „Secrets Of The Earth“ ist zu Anfang melancholisch und wird dann (vor allem durch den Gesang) aggressiver. Der letzte Song „A Storm Inside“ badet mal wieder in Melancholie und ist ein toller Abschluss. Fazit: „Isolation Songs“ ist ein sehr gutes Zweitwerk und zeigt, dass Ghost Brigade keine Eintagsfliege sind und man weiterhin mit ihnen rechnen muss. – 8,5/10

Guilt Machine: On This Perfect Day – Nachdem das Mammutkonzept von Ayreon mit dem letztjährigen, großartigen Doppelalbum „01011001″ kürzlich zu Ende ging, brauchte Workaholic Arjen Anthony Lucassen eine neue Spielwiese, also gründete er das (ungefähr dreihundertste) Projekt „Guilt Machine“. Mit von der Partie sind diesmal nur drei Musiker, nämlich Lori Linstruth, die auch schon auf „01011001″ an der Gitarre zu hören war, der ehemalige Porcupine-Tree-Drummer Chris Maitland und Sänger Jasper Steverlinck, der normalerweise bei der Alternative-Band Arid am Mikro steht.

Genau wie die Gästeliste wurde auch die Musik ein wenig reduziert; das heißt aber nicht, dass wir uns von dramatischen Melodien, mehrstimmigen Passagen und epischen Momenten komplett verabschieden müssen, vielmehr ist die Musik deutlich ruhiger und getragener als bei Ayreon. Die Songs bekommen Zeit sich zu entfalten (vier der sechs Tracks sind über zehn Minuten lang) und wirken nicht so vollgestopft. Dieser positive Eindruck wird vom Jasper Steverlinck verstärkt, seine sehr variable Stimme klingt in einigen Momenten deutlich nach Freddie Mercury, dann wieder nach Daniel Gildenlöw (Pain Of Salvation). Ein wirklich meisterhaftes Album, aber beim Namen Lucassen kann man eigentlich auch nichts anderes erwarten. – 9,5/10

Kalisia: Cybion – Man stelle sich eine Mischung aus Dream Theater, Cradle Of Filth, Ayreon, Nine Inch Nails, Scar Symmetry, Dimmu Borgir, In Flames und Bal-Sagoth vor. Was, das geht nicht? Doch, das geht, und das Ergebnis kommt von der französischen Band Kalisia und hört auf den Namen „Cybion“. Selbstverständlich handelt es sich auch sofort um ein Konzeptalbum, dessen Story sich mir jedoch nicht so ganz erschließen will. „Cybion“ beginnt jedenfalls mit einem hollywoodreifen Klassik-Intro, das in einen schnellen Melodic-Death-Metal-Song übergeht, allerdings ist da auch Hard Rock, Black Metal und im Prinzip alles andere dabei. Auf Startplatz drei haben wir dann Gothic Rock mit Frauengesang… inklusive Highspeed-Dream-Theater-Solo. Und so geht die wilde Fahrt weiter: Plötzlich haben wir schon fast Power Metal, dann Akustikgitarren und Saxofon, Industrial-Techno, noch ein Dream-Theater-Solo, Death Metal, ein komplett verrücktes kalisiaSolo, Black Metal, Melodic Death, wieder Black, Bongotrommeln und psychedelische Gitarrensoli, dann wieder harten, symphonischen Metal inklusive Glockenklänge, völlig entfesseltes Geschrei, Thrash Metal, plötzlich scheint John Petrucci vorbeizuschauen, dann wieder irgendwas technomäßiges, Akustikgitarren, pfeilschnelle Riffs, Amorphis-mäßigen, düstern Rock im Sechsachteltakt – ach nee, jetzt wieder Dimmu Borgir, wieder Amorphis, eine dramatische Ballade, ein absolut krankes Keyboardsolo, Roboterstimmen, und irgendwann geht das Ganze im Wust der Instrumente zuende.

Das klingt jetzt alles extrem chaotisch, und genauso klingt es anfangs auch. Doch mit jedem Hördurchgang wächst „Cybion“, man hört immer mehr dieser unfassbaren Arrangements, genialen Melodien und abgefahrenen Soli heraus und an allen Ecken und Enden begegnen einem Passagen, die auf vergangene Tracks zurückweisen und Fäden wieder aufnehmen. Besonders herausheben muss ich die paar Momente auf dem Album, wo Glockenklänge zum Einsatz kommen – wahrscheinlich ist das nur mein persönlicher Eindruck, aber das klingt absolut göttlich. „Cybion“ ist wie ein Mensch, den man langsam kennenlernt; bei dem man am Anfang nicht weiß, was man von ihm halten soll und sein Verhalten nicht wirklich deuten kann, den man aber immer mehr zu verstehen beginnt, und schließlich kann man sich nicht mehr vorstellen, wie es ohne diesen Menschen war. Kann man einem Album ein größeres Kompliment machen? – 10/10

Katatonia: Night Is The New Day – Katatonia sind seit vielen Jahren ein Garant für hochwertige, emotionale Musik, die sich schwer in Worte fassen lässt. Auch „Night Is The New Day“ ist da keine Ausnahme. Ich will jetzt nicht alle Songs beschreiben, sondern nur ein paar empfehlen: „Onward Into Battle“ ist ein melancholisches Meisterwerk, „Liberation“ lässt es heftiger angehen, verzichtet aber nicht auf einen eingängigen, mitreißenden Refrain. „The Promise Of Deceit“ vermag mit seinen kalten Keyboardklängen und seiner hoffnungslosen Stimmung zu begeistern, und das finale „Departer“ ist vielleicht der beste Song, den Katatonia jemals aufgenommen haben.

Von den Doom-Metal-Anfängen der Band ist nur noch die düstere, melancholische Atmosphären geblieben. Das neue Album „Night Is The New Day“ kombiniert vielmehr den Düsterrock von „Viva Emptiness“ mit den komplexen Metaleruptionen des Vorgängers „The Great Cold Distance“. Diese Mischung funktioniert hervorragend, und so liefern Katatonia hier vielleicht ihr bestes, aber auf jeden Fall ihr homogenstes Album ab. – 9,5/10

The Mars Volta: Octahedron – Seit 2002 stehen The Mars Volta für eine völlig ausgeflippte Mischung aus hyperaktivem Progrock, zappeligem Funk, verwirrenden Latinanleihen, fünfminütigen Gitarrensoli und komplett durchgeknallten Soundspielereien, die immer wieder unangemeldet in die Tracks (”Songs” kann man das kaum nennen”) hineinplatzten, selbigen in seine Einzelteile zerlegten und komplett anders wieder zusammenbastelten, nur um eine Minute später das nächste Chaos zu verursachen. 4 Alben haben die Herren nun schon herausgebracht, und wie zu erwarten war, ist auch “Octahedron” eine knapp achtzigminütige Geräuschorgie mit Micky-Maus-Geschrei, Gefrickel bis der Arzt kommt und Strukturen, die selbst für einen Musikstudenten erst nach Stunden verständlich werden. War ja auch nicht anders zu erwarten.

…Moment, irgendwas stimmt hier nicht. Wer das nämlich erwartet hatte, wird sich erst mal am Kopf kratzen und nachprüfen, ob er wirklich die richtige CD eingelegt hat. Oder vielmehr, er wird sich erst einmal davon überzeugen müssen, dass seine Lautsprecher angeschlossen sind, denn knappe anderthalb Minuten passiert erst mal überhaupt nichts. Dann nähert sich aus weiter Ferne eine ruhige Akustikgitarre an und nach wenigen Sekunden geht es auch schon mit dem Gesang los. Jede Sekunde erwartet man, dass nun das übliche Lärmgewitter über einen hereinbricht, aber nix da – “Since We’ve Been Wrong” ist ein komplett ruhiger Song, und statt einem Gewitter herrscht hier eine schwüle Atmosphäre vor.

“Teflon” zeigt sich da schon etwas energischer: Am Himmel brauen sich langsam dunkle Wolken zusammen und der Dschungel – ja, der Dschungel! Denn in so einen fühlt man sich versetzt – wird in ein merkwürdiges Licht getaucht. Ein leichter Regen setzt ein, aber durch die extrem feuchte Luft merkt man das kaum. Knappe fünf Minuten später hat der Regen aufgehört, die letzten Wassertropfen fallen von den Urwaldbäumen. Nur Bass und Gesang stellen den Anfang von “Halo Of Nembutals” dar, doch hier bleibt es nicht komplett ruhig, vielmehr kann man sich den Aufbau des Songs wie eine Art Regentanz vorstellen, den die Bewohner des Urwalds aufführen.

“With Twilight As My Guide” verbreitet die selbe schwüle Atmosphäre wie der Opener. Wabernde Gitarrenklänge und der sehr mysteriös klingende Gesang lassen einen wieder im Halbschlaf versinken. Gegen Ende bleiben nur noch sphärische Geräusche übrig, die immer leiser und leiser werden, und man wird immer müder und müder, schließlich schlä… Ein Donnerschlag! Tischtennisballgroße Regentropfen prasseln auf die Vegetation ein, Blitze zucken am Himmel umher und die Bäume biegen sich im orkanartigen Wind! Richtig, hier handelt es sich um das erste Mars-Volta-typische Lied auf dem Album, es hört auf den Namen “Cotopaxi”. Klingt wie der Name eines süßen, kleinen Pokemon, ist aber vielmehr das erlösende Gewitter, das die Luftfeuchtigkeit wieder unter dreihundert Prozent sinken lässt. Soll heißen: Bis hierher war es wirklich toll, The Mars Volta auch mal was anderes machen zu hören, aber irgendwann kann ein wenig Abwechslung nicht schaden, die einem hier eben in Gestalt dieses Songs ins Gesicht springt, in die Ohren fasst und das Gehirn mal eben gehörig durchquirlt.

Kurz setzt das Gewitter aus, und die Urwaldbewohner wähnen sich in Sicherheit. Doch nichts da, das Unwetter ist nicht etwa vorüber, vielmehr befinden sie sich jetzt direkt im Auge des Sturms. Selbiger beginnt nach einer guten Minute, die Dächer der von untalentierten Heimwerkern zusammengebastelten Holzhütten abzureißen und sie wie fehlgesteuerte Lenkraketen durch den Wald rasen zu lassen. Vor den hilflosen Stammesmitgliedern baut sich eine Wand aus Wasser, Wind und herausgerissenen Bäumen auf, die mit unvorstellbarer Gewalt über das Dorf hinwegfegt und alles dem Erdboden gleichmacht. Dann, mit einem Mal ist alles zuende: Von einem Moment auf den anderen herrscht absolute Windstille. “Desperate Graves” ist vorbei. Die beiden letzten Songs „Copernicus“ und „Luciforms“ schaffen es leider nicht, die Atmosphäre und die tollen Melodien der restlichen Songs beizubehalten, und so ist der Abschluss des Albums etwas schwächer.

Metaphern und Assoziationen sind ja schön und gut, aber um von der ganzen Urwaldgeschichte mal wegzukommen: The Mars Volta sind einen überraschenden Schritt gegangen und haben die Hyperaktivität auf ein Minimum reduziert, stattdessen haben sie sich mehr um Melodien und vor allem die Atmosphäre gekümmert. So entstand mit “Octahedron” ein Album, das dem Hörer zuerst auflauert, ihn dann erleichtert, nur um die Erwartungen dann doch nicht zu erfüllen, auf einmal nicht nur mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern selbiges gleich komplett einzureißen, einen kurz in Sicherheit wiegt und einen dann von hinten mit einem Vierzigtonner zu überfahren, nur um ihn dann auszutrocknen, anzuzünden und ihn auszulachen, wärend er zu Asche wird. Nachdem die Band also auf den ersten vier Alben ähnlich elektrisiert durchs Zimmer gezappelt ist wie Hammy aus “Ab durch die Hecke” nach der Einnahme von mindestens zwei Kilo Ecstasy, zeigen sie hier ihre andere, ruhige Seite, die zwar schon früher durch Songs wie “Televators” oder “The Widow” bekannt wurde, aber bis jetzt halt immer eine Ausnahme darstellte. Auf “Octahedron” wird der Spieß umgedreht, hier geht es größtenteils gemächlich zu, trotzdem vernachlässigen The Mars Volta ihre Wurzeln nicht und hauen ab und zu doch noch gehörig auf den Putz. Die Kombination dieser beiden Elemente ergibt einen äußerst gelungenen Mix, der spätestens nach dem Frickel-Overkill “The Bedlam In Goliath” dringend nötig war. Zu erwarten bleibt, wie die Band sich auf den nächsten Veröffentlichungen weiterentwickelt. – 8,5/10

Mastodon: Crack The Skye – Bevor ich auch nur ein Wort zur Musik auf diesem Album sage, möchte ich kurz die Story zusammenfassen: Wir haben hier einen komplett gelähmten Herren, der sich irgendwann entscheidet, seinen Körper zu verlassen und ein bisschen im Weltraum herumzuflanieren. Leider kommt er dabei etwas zu dicht an die Sonne und gerät in ein Wurmloch, das ihn direkt in die Welt der Geister (wohin auch sonst!) katapultiert. Denen muss er dann erklären, dass er nicht zu ihnen gehört, sondern hier nur Urlaub macht. Als er sie endlich überzeugt hat, schleust ihn eine russische Sekte (wer auch sonst!) zurück in die Anfänge des zwanzigsten Jahrhunderts, wo er sich dann mit einem gewissen Rasputin (mit wem auch sonst!) einen Körper teilen muss, bis jener getötet wird. Daraufhin kommt unser Held in die Hölle, und von da aus gelangt er irgendwie wieder in die Gegenwart. Ein Ausflug mit Hindernissen also – und bei so einer Story ist die Musik entweder komplett scheiße, oder aber es handelt sich um ein absolutes Meisterwerk. Was davon zutrifft? Nun, intelligente Menschen können dies wahrscheinlich schon an der Punktzahl in der Überschrift erkennen, aber da hier bestimmt auch einige etwas beschränktere Personen mitlesen, muss ich das wohl noch etwas genauer darlegen.

Erstmal muss man sagen, dass Mastodon den harten Metal der früheren Alben fast komplett hinter sich gelassen haben. Natürlich wird immer noch kräftig gerifft und geschlagzeugt (vor allem geschlagzeugt! Meine Fresse!), aber insgesamt geht das ganze soundmäßig etwas mehr in die progressive und teilweise auch völlig bekiffte Ecke. Ach so, und jetzt soll ich auch noch die Songs beschreiben? Ohje, das wird schwer.

Also, der Opener mit dem schönen Namen „Oblivion“ beginnt mit dissonanten Riffs, doch sobald der Gesang ansetzt, richtet sich die Musik komplett nach diesem, bis es dann zum Refrain kommt – einem tollen Refrain, das muss man schon sagen. Auffällig: Bei Mastodon darf so ungefähr jeder mal singen, und das auch innerhalb eines Songs. Wenn dann das Gitarrensolo kommt, weiß man überhaupt nicht mehr, wo oben und unten ist – aber das lässt nicht etwa nach! Nein, „Divinations“ setzt noch einen drauf und besteht vom Gefühl her zur Hälfte aus einem völlig abgedrehten Solo, das ab und zu mal von Gesang unterbrochen zu werden scheint, im Hintergrund aber immer munter weiterdudelt.

„Quintessence“ gönnt einem auch keine Ruhe, erst beim vierteiligen „The Czar“ kann man eine kleine Verschnaufpause einlegen. Jetzt wirds nämlich episch! Der erste Teil namens „Ursuper“ (auch eine passende Umschreibung für den Song!) ist recht ruhig und lebt eher von seiner geisterhaften, bedrohlichen Atmosphäre. „Don’t stay, run away / He has ordered assassination“. Unangenehme Sache, das – wie kann man sowas vermeiden? Genau, man haut dem Gegner einfach ein tonnenschweres Gitarrenriff auf den Kopp. Genau das geschieht dann auch zu Beginn von „Escape“, und kurz darauf wirds wieder hyperaktiv. „Martyr“ und „Spiral“ leiten dann langsam wieder zum Anfangsthema über. Einfach ein unglaublicher Song, und die zehn Minuten vergehen wie im Flug.

Hat man diesen Brocken dann erstmal überstanden, kriegt man direkt den nächsten Felsblock auf den Schädel – diesmal heißt der Riesenkiesel „Ghost Of Karelia“. Bis jetzt der härteste Song des Albums, und dabei nicht weniger abgefahren als die ersten vier. Gleiches gilt für den Titelsong „Crack The Skye“, der nebenbei gemerkt mit ziemlicher Sicherheit das geilste Intro aller Zeiten hat – dann geht das ganze natürlich wieder komplett ab, und beschreiben kann man den Song genausowenig wie alle anderen des Albums, auch wenn ich es hier trotzdem (mit mäßigem Erfolg) versuche.

Wer jetzt erwartet hat, dass Mastodon es dem Hörer ermöglichen, sich gegen Ende des Albums etwas zu entspannen und den Puls wieder unter einen Wert von dreihuntertfünfzig zu kriegen – den hat man wohl mit dem Klammerbeutel gepudert. Mastodon setzen den dicksten Brocken ans Ende, und das ist gut so. Das dreizehnminütige (!!) „The Last Baron“ zieht nochmal alle Register und lässt die sechs bisherigen Songs wie Kleinkram aussehen. Die ersten drei Minuten sind noch reeeeelativ gemäßigt, doch was dann auf einmal abgeht, darauf komm ich immer noch nicht klar. Die folgenden zehn Minuten sind so ungefähr das Abgefahrenste, was in der Musik nur möglich ist. Wahnwitzige Rhytmen, fast willkürlich eingeworfene Gesangsfetzen, Soli, bei denen sich Dream Theater in die Hosen machen würden (der Part ab 5:58! Göttlich!) und immer wieder diese unglaubliche Präzision, vor allem beim Schlagzeug. Was der Mann da hinlegt, ist einfach unfassbar. Gegen Ende wirds dann nochmal etwas gemäßigter, nur um dann einen weiteren Haken zu schlagen und ein allerletztes Mal völlig durchzudrehen. Das Ende lässt sich dann ungefähr mit einem Öltanker vergleichen, der mit Volldampf auf die Küste zufährt und noch ein oder zwei Kilometer durch die Pampa prescht, um dann irgendwann mit einem ohrenbetäubenden Quietschen zum Stillstand zu kommen – natürlich im Song ohne das Quietschen, aber sewissnjawassichmein.

Viel kann ich nicht mehr zu diesem Album sagen, man muss es hören. Aber eins ist klar: An der Höchstwertung führt kein Weg vorbei. – 10/10

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